F. Persson: Women at the Early Modern Swedish Court

Cover
Titel
Women at the Early Modern Swedish Court. Power, Risk, and Opportunity


Autor(en)
Persson, Fabian
Reihe
Gendering the Late Medieval and Early Modern World
Erschienen
Anzahl Seiten
340 S.
Preis
€ 109,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Cathleen Sarti, Faculty of History, University of Oxford

Der schwedische Historiker Fabian Persson hat mit „Women at the Early Modern Swedish Court” eine lesenswerte Untersuchung des schwedischen Hofes vorgelegt, die an vielen Stellen über die Darstellung des schwedischen Kontexts hinausgeht und diesen mit anderen europäischen Höfen, insbesondere in Frankreich und England, vergleicht. Der Band ist ein Gewinn für alle, die an der Funktionsweise von monarchischen Höfen in der Frühen Neuzeit sowie an der Rolle von Frauen am Hof interessiert sind. Der Stil von Fabian Persson ist auf langen Strecken anekdotenhaft und unterhaltsam – wer sich unsicher ist, ob das dem eigenen Geschmack entspricht, dem legt die Rezensentin nahe, zunächst einen Blick in die Dramatis Personae zu werfen. Insgesamt ist das Buch eher ein Panorama, bei dem viele Aspekte angesprochen werden und über diese Vielfalt sich nach und nach ein Gesamtbild entfaltet, als eine Problemanalyse. Die leitende Frage des Buches, was eine Frau am frühneuzeitlichen Hof erreichen konnte, wird durch die Betrachtung dieser zahlreichen Aspekte durchaus beantwortet. Der Autor zeigt sowohl die Möglichkeiten zur politischen, aber vor allem zur sozialen Einflussnahme, als auch die Grenzen einer solchen für Frauen auf.

Der Band ist nicht chronologisch aufgebaut, was häufig die Orientierung erschwert. Obwohl das Buch erfreulich viele Hilfen bietet (Erklärung zu den Namen, alphabetisches Personenverzeichnis, Stammbaum, Glossar und Index) fehlt eine chronologische Übersicht oder zumindest die Nennung der Lebensdaten von Personen im Text. So musste sich auch die Rezensentin, durchaus vertraut mit der politischen Geschichte Schwedens in der Frühen Neuzeit, eingestehen, dass ohne Verweis auf die Lebensdaten oder die dazugehörigen Ehemänner beziehungsweise Väter die Frauen am Hof schwer auseinanderzuhalten sind (Ulrika, Eleonora sowie Sophie waren besonders beliebte Namen – in allen möglichen Kombinationen). Trotz dieses kleinen Mankos ist der thematische Aufbau des Buches überzeugend. Fabian Persson beschreibt in drei Teilen die „Outsiders“, „Insiders“ und „Royals“ sowie in insgesamt 16, eher kurzen, Kapiteln (die Einleitung mitgezählt) die Welt des schwedischen Hofes und die Rolle der Frauen darin. Dabei werden die Hofinstitutionen, Stellen, Ausbildung und Prozesse ebenso vorgestellt wie stärker kulturgeschichtliche Aspekte zu Rang, Emotionen, Architektur oder Reputation. Das Thema Gender zieht sich als Konstante durch jedes Kapitel. Insbesondere der zweite Teil des Buches zu Insidern überzeugt durch eine neue wirtschaftliche Betrachtung des Hofes. Hier wird unter anderem analysiert, wie sich Dienstzeiten, Bezahlung oder Einstellungsvoraussetzungen zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert verändert haben. Gerade im europäischen Vergleich ergäben sich hier noch weitere interessante Forschungsaufgaben, die jedoch über das hier zu besprechende Buch weit hinausgehen. Es ist ein Verdienst Fabian Perssons, basierend auf archivalischen Quellen, hier erste Grundlagen geschaffen zu haben. Hervorzuheben ist auch die Auswertung der sonst eher selten genutzten Bestände des Stockholmer Schloss- sowie des Stadtarchivs.

Fabian Persson betont die Besonderheit des schwedischen Hofs im Umgang mit Fremden, insbesondere Verwandten des Königshauses, die durchaus auch mehrere Jahre am schwedischen Hof lebten und diesen mitprägten. Dennoch wird deutlich, dass Schweden in der frühneuzeitlichen Hofkultur eher in der Peripherie liegt und die Verbindungen selten über die protestantischen deutschen Fürstentümer hinausgingen. Ähnlich wie andere europäische Höfe entwickelte sich der Umgang mit den Hofbediensteten, die fremde Prinzessinnen bei Heirat nach Schweden mitbrachten, von einer relativ offenen Interaktion, die die Integration dieser Menschen ermöglichte, zu einem geschlossenen Hofsystem im 18. Jahrhundert, bei dem die Begleiter recht schnell wieder zurückgeschickt wurden.

Etwa ab der Mitte des Buches dominieren immer mehr Anekdoten den Text, die durchaus auf allgemeinere Befunde bezogen werden und als Exempel dienen. Dennoch verbleibt der Eindruck, dass etwas mehr Abstraktion und Analyse hier nicht hätten schaden können. Gerade die beeindruckende zeitliche Ausdehnung von etwa 1550 bis nach 1800 hätte als Grundlage für weitere Analysen der Entwicklung dienen können. Hier hat Fabian Persson eine Chance verpasst. Dass eine solche Analyse durchaus möglich gewesen wäre, zeigt zum Beispiel der Vergleich zweier Königinwitwen im Umgang mit dem toten Körper des Königs in Kapitel 13. Hier hat der Autor die Chance ergriffen, die unterschiedlichen Reaktionen und Handlungen von Maria Eleonora (Witwe Gustavs II. Adolf nach 1632) und Hedwig Eleonora (Witwe Karls X. Gustav nach 1660) zu kontrastieren, in den größeren politischen Zusammenhang der schwedischen Politik und insbesondere des Reichsrates zu setzen und daraus eine Einschätzung zum Erfolg der Königinwitwen im Hinblick auf ihre Dynastie und die fortgesetzte dynastische Herrschaft abzugeben.

Die Bevorzugung der Anekdote vor der Kontextualisierung und Analyse führt durchaus an manchen Stellen zu Problemen, zum Beispiel wenn zu Recht darauf verwiesen wird, dass in der Mitte des 16. Jahrhunderts Hofdamen oft nicht aus hochadligen Familien oder der näheren Verwandtschaft des Königs stammten, sondern aus dem niederen Adel (S. 85). Ein kurzer Verweis auf die quantitativ deutlich wahrnehmbare Reduzierung des schwedischen Adels, insbesondere auch des Hochadels, in den Kriegen gegen Christian II. und den zahlreichen Blutbädern, mit denen Christian II. um 1520 versuchte, seine Herrschaft in Schweden zu etablieren, lässt diese Beobachtung in einem anderen Licht erscheinen. Aus der direkten Familie des späteren Königs, Gustav I., starben in dieser Zeit sein Vater, zwei seiner Schwestern und seine Mutter. Soweit bekannt, starb 1536 auch die letzte verbliebene Schwester. Ähnlich war es in anderen hochadligen Familien: die Männer gefallen oder hingerichtet; die Frauen in Gefangenschaft, in der sie oftmals verstarben. Der „Patriarch“ der führenden Familie Schwedens, die Sture, war 1521 der 9-jährige Nils Sture und nach seinem Tod im Jahr 1527 der 1517 geborene Svante Sture der Jüngere. Diese demographische Besonderheit ist in der Politikgeschichte seit langem gut erforscht und wäre als Hintergrundinformation, warum niederadlige Familien so zahlreich am Hof waren, wichtig gewesen.

Insgesamt profitiert der Band jedoch von der Expertise des Autors, der ein ausgewiesener Experte der schwedischen Monarchiegeschichte ist und kompetent die hier dargestellte 300-jährige schwedische und europäische Geschichte darstellt. Aufgrund einer fehlenden intensiven Forschungstradition in diesem Feld sind gerade die umfangreiche Quellenkenntnis sowie der Vergleich der schwedischen Verhältnisse mit europäischen Höfen und der Bezug zur europäischen Hofforschung entscheidend und können als Grundlage für weitere Forschungen dienen. Kleinere Mängel wie Fehlverweise oder die Bezeichnung Katharina Stenbocks, die dritte kinderlos gebliebene Frau Gustavs I., als Großmutter des Königs (S. 255) können darüber vernachlässigt werden.

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